Macht das nicht, das gibt nur Ärger - Die Meileninflation und Loyality 2.0

Launige Worte zum Einstieg: Eine grosse Last meines Fachgebiets ist es ja, dass wenn ich von Kundenmanagement rede, Leute gleich sagen: "Ach so, klar, logisch Miles and More, nicht wahr?" und dann vollkommen konsterniert sind, wenn ich zurückschmettere: "Nö, eher nicht!" Jahrelang haben wir das folglich im Unterricht auch erfolgreich versucht zu ignorieren, was mittlere und grosse Unternehmen mit ihren sogenannten Kundenkarten und den damit verbundenen Punktesammelprogrammen so anstellen. Doch immer noch kommen Unternehmen zu mir und sagen: "Herr Hafner, wir haben uns da was überlegt ... Wir machen ne Kundenkarte und zukünftig kann man dann bei uns Punkte sammeln!" Ich sag dann meistens nur:

MACHT DAS NICHT! DAS GIBT NUR ÄRGER! - und erkläre Warum jetzt dringend ein Wandel zu Loyality 2.0 gefordert ist!

Die Idee ist ja super. Man identifiziert sich bei jedem Kauf mit einer schicken Karte und erhält "tolle Vorteile". Umgekehrt weiss das Unternehmen dann haargenau, was sie bei ihm gekauft haben und kann Sie "voll individuell" bedienen. Tief durchatmen. Mal ehrlich, wieviel Platz haben Sie in Ihrem Portemonnaie? Im Durchschnitt reicht das für sechs Kreditkarten. Mal schauen: Maestro/EC Karte, Führerschein, Personalausweis, Kreditkarte, Bahncard/Halbtax, bleibt also genau Platz für eine Kundenkarte. Super. Kann man intelligent drauf reagieren, indem man die Kundenkarte als App bringt, oder, wie es die schweizerische Migros, seit Jahr und Tag macht, einfach nur Barcode-Aufkleber verteilen. Das Problem liegt wie so häufig im Kundenmanagement tiefer und ist dazu auch noch zweiseitig.

Der von mir sehr geschätzte Tom König berichtet drüben bei Spiegel online von einer Inflation der Flugmeilen und Bahnpunkte. Und Recht hat er. Weicher könnte die Währung "Kundenbindungspunkt" wirklich nicht sein. Die Unternehmen, die grosse Kundenkarten betreiben haben nämlich allesamt ein Problem. Sie gewähren Kunden, die kaufen über ihre "Kundenbindungsprogramme" Rabatte in Form von Meilen. Diese kann man dann in Freiflüge oder Freifahrten umtauschen. Mir stellt sich die Frage, ob das wirklich beziehungsfördernd ist. Naja, mit einer konsistenten logischen Kundenbeziehung haben es die Airlines ja eh nicht so. Aber nach dem Motto: Kauf viel und dann bekommst Du noch mehr umsonst, die Attraktivität des eignen Angebots zu steigern, bleibt mir eh verborgen.

Unternehmen aus anderen Branchen, wie die schweizerische COOP haben das gleiche Problem: Wenn Kunden die gesammelten Punkte nicht in Prämien einlösen, dann müssen sie genau wie Lufthansa und die Bahn dafür Rückstellungen bilden. Der Kunde hat ja einen Anspruch auf den Rabatt/die Leistungen. Das belastet also die Bilanz, da es sich um Verpflichtungen gegenüber Kunden handelt. Aber: Woran liegt es, dass Kunden nicht einlösen? Vielleicht an der Attraktivität der Prämien? Also muss man sich auch darum kümmern, ein attraktives Prämienset zu haben und dieses auch zu vermarkten. Darüber hinaus ist die Administration eines Kundenpunktekontos nicht ohne Aufwand. In wiefern solche Verwaltung einer "Loyalitätswährung" durch eine technische Umstellung auf die Blockchain günstiger gemacht werden kann, dazu forschen wir gerade am Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ).

Jedoch auch für den Kunden ist das Punkteeinlösen mit Aufwand verbunden: Er muss sich dran erinnern, dass er ein "Punktekonto" hat, muss aktiv eine Prämie selektieren und seine Punkte tauschen. Und das ohne äusseren Anlass, also selbstgetrieben. Zusätzlich muss auch die Bindungswirkung derartig konzipierter Programme generell hinterfragt werden. Einmal eingelöst, ist der Bindungseffekt der Punkte erstmal weg. Die Funktion gleicht der eines direkten Rabattes aufs Haar. Ist aber für beide Seiten mit ungleich mehr Aufwand verbunden, wie die beiden Darstellungen zeigen.

Gleichzeitig kämpfen gerade kleinere Händler häufig damit, dass es unklar ist, auf wieviel Service der Kunde eigentlich einen Anspruch hat. Vor allem vor dem Hintergrund, dass man sich ja von grossen Internethändlern eigentlich nur noch über Service differenzieren kann. Aber: Wer hat einen Anspruch auf eine Reparatur eines Geräts oder eines Kleidungsstückes und was verrechne ich als Händler? Verrechne ich die tatsächlichen Kosten, ist der Kunde vielleicht verärgert, da seine Erwartungen enttäuscht wurden, und er wandert ab. Verrechne ich zu wenig, bleibt die Gefahr, dass ich mir die Kundenzufriedenheit durch mangelnde Profitabilität meiner Leistungen erkaufe. Ausserdem stellt sich die Frage, wie ich mich von Smart-Shoppern abgrenze, die billig im Netz kaufen aber dann bei mir beratung und die Reparaturen umsonst haben wollen?

Weg vom Punktesammeln - hin zum Serviceclub!

Loyalität 2.0 heisst also weg vom Punktesammeln hin zum Serviceclub. Und zeigt auch auf, wie ich mich nachhaltig loyalitätsfördernd differenzieren kann. Mit dem Kauf eines Produktes werde ich automatisch Mitglied im Serviceclub. Hier brauche ich keine Membercard, App, Barcode oder Nummer. Nespresso macht es vor. Das schönste Identifikationsmerkmal ist doch eh unser eigener Name. Hafner. Nils Hafner.

Jetzt muss ich nur noch definieren, wieviel Kauf, welchen Service wieviel günstiger oder gratis macht. Das hat mehrere Vorteile. Zum einen fallen Überlegungen bezüglich des Servicepricings leichter und Diskussionen mit dem Kunden werden auf Basis klarer Spielregeln geführt. Ich sorge damit für zwei Dinge, die den Verlauf einer Beziehung massgeblich beeinflussen. Verlässlichkeit und Sicherheit. Und dafür gebe ich als Kunde doch gern meine Informationen. Und zum anderen: ich gebe als Händler oder Dienstleister keine Rabatte mehr auf mein Kernprodukt. Denn das entwertet dieses. Nicht nur in der Sicht des Kunden, auch in meiner Bilanz.

Kommentare

Unknown hat gesagt…
Excellent - Kunden mit Wertschätzung und Service belohnen. So klappt Kundenbindung.

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